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Die Inszenierung von Lucia Bihler ist einzigartig. Das ist unausgeschlossen.

Während Büchners Werk zur Zeit des Vormärz (1815-1848) spielt, vollzieht sich Bihler’s Fassung im aktuellen Zeitalter. Woyzeck, als Opfer der derzeitigen Unterschicht, trägt einen Trainingsanzug über seinen recht wuchtigen Körper. Die größte Problematik dieser Gesellschaftlichen Zustände ist ihre Auswegslosigkeit. Diese wurde von Bihler sehr klar dargestellt. Ein ständig drehender Ventilator, der gleichzeitig für den Wahnsinn steht, in den Woyzeck beginnt sich reinzureiten, als sich auch die käfigartige Bühne anfängt zu bewegen. Am deutlichsten macht es die Repetition der Geschichte. Die Szenen liefen in einer gefühlten Endlosschleife. Zusätzlich erzeugt dies eine unangenehme Situation für den Zuschauer. Man wurde selbst in eine Auswegslosigkeit versetzt.

Gleichzeitig erzeugte die Guckkastenbühne ein Gefühl von Ohnmacht, eine einzige Möglichkeit des reinen Zuschauens. Genau hier werden wir als Zuschauen, als die heutige Oberschicht, von Bihler kritisiert. Wir sitzen nur da und schauen zu, wie Morde passieren. Immer und immer wieder. Die Zuschauer wurden zwar eindrucksvoll und sorgfältig als Kritikpunkt behandelt und Bihler’s Meinung darüber verdeutlicht, dass sie, also die Oberschicht, erlöst wird, wenn es keine Morde mehr gibt. Dagegen denke ich, dass dies ein Werk des gesamten Systems ist. In das eben auch die Empathielosigkeit und das allgemeine Unverständnis der Oberschicht gegenüber der Unterschicht erzeugt und in gewisser Weise begründet wird.

Eine eigentliche, eindeutigere Erläuterung, vor allem über Woyzeckˋs Lage, hingegen fehlte mir persönlich. Allgemein kam der Inhalt meiner Meinung nach etwas kurz, vor allem durch die ständige Wiederholung der bereits gesehenen Szenen. Jedoch muss ich auch sagen, dass es in solch einer kritisierenden und allgemein dennoch gelungenen Inszenierung schließlich nicht um die einfache Wiedergabe bestimmter Geschehnisse geht, sondern vielmehr um die Bedeutungen und daraus entspringenden Kontroversen.

Lina Gerken S3